Bestanderhebung Soziokultur Sachen - 2023

Bestandsaufnahme 2023

ZAHLEN FAKTEN ARGUMENTE.
WOZU EINE BESTANDSERHEBUNG?

Soziokultur ist ein unverzichtbarer Teil sächsischer Kulturlandschaft. Sie baut Brücken, öffnet Türen und schafft Räume für Begegnungen verschiedener Milieus unserer diversen Gesellschaft.

Soziokulturelle Zentren sind lokal verankert und fester Bestandteil des Gemeinwesens. Zum Selbstverständnis sächsischer Soziokultur gehört die Überzeugung, mit Kultur eine demokratische, freiheitliche Gesellschaft zu entwickeln und diese stets bereichern zu können.

Ist dem so? Ist diese Aussage belastbar?
Unsere Gesellschaft ist beständig im Wandel.
Kultur war und ist ein Seismograf und eine Ermöglicherin gesellschaftlicher Veränderungen. Wie wird sich die sächsische Soziokultur in diese Transformationsprozesse einbringen? Ist sie gut aufgestellt? Welches Zukunftsbild sächsischer Soziokultur haben wir? Um diese Fragen qualifiziert diskutieren zu können, müssen wir valide aussagefähig sein. Dafür haben wir mit Unterstützung der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen eine wissenschaftliche Bestandsaufnahme der soziokulturellen Einrichtungen des Landesverbandes beauftragt.

Es ist soweit! Die Ergebnisse der Befragung und die Auswertungen liegen mit dieser Broschüre vor. Der Betrachtungszeitraum ist das Betriebsjahr 2022, noch geprägt von den Nachwirkungen der Corona-Krise und schon gezeichnet von den Folgen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine.

Umso erstaunlicher sind die Fakten: Ca. 650 festangestellte Mitarbeitende, 930 Honorarkräfte, über 430 ehrenamtlich Engagierte und rund 1.500 Freiwillige realisierten über 21.000 regelmäßige, partizipative, soziokulturelle Angebote mit rund 380.000 Besucher:innen. 464.000 Besucher:innen nutzen Einzelveranstaltungen. Damit erreichten die befragten soziokulturellen Einrichtungen mit ihren zielgruppenorientierten Angeboten im Jahr 2022 rd. 844.000 Bürger:innen. Die Zahlen und Fakten dokumentieren in beeindruckender Weise »Unser Engagement und Wirken«.

Die vorliegende Bestandsaufnahme versteht sich als Grundlage und zentrales Arbeitsmaterial zum 6. Fachtag »BeStändig im Wandel – Profilschärfung & Zukunftsgestaltung« am 7. und 8. November 2023 in Leipzig. Hier werden wir gemeinsam mit Partner:innen und Expert:innen über Zukunftsfragen der sächsischen Soziokultur diskutieren.

Im Ergebnis des Fachtages werden wir den Kriterienkatalog des Landesverbandes fortschreiben bzw. den gesellschaftlichen und kulturpolitischen Rahmenbedingungen anpassen. Damit führt der Landesverband den Prozess der Befassung und Aktualisierung seiner fachlichen Standards konsequent fort. Die letzte Aktualisierung erfolgte 2013. Vor nunmehr 10 Jahren stellten die damalige Geschäftsführerin Anne Pallas und der Vorstandsvorsitzende Torsten Wiegel fest: "Der Kriterienkatalog ist (somit) ein Management-Instrument, das eine zielund ergebnisorientierte Arbeit ermöglichen soll und dabei auch zur Selbstevaluation der bestehenden sächsischen Zentren aber auch nachwachsender Initiativen herangezogen werden kann. Dabei ist die Entwicklung von Kriterien ein Prozess, der immer wieder die soziokulturelle Arbeit anhand ihrer selbstgesteckten Ziele reflektiert und damit zur Qualitätssicherung beiträgt."

Unser Kriterienkatalog von 2013 ist in die Jahre gekommen. Er benennt Gelingensbedingungen und formuliert fachliche Standards ausgerichtet an den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen im Jahr 2012. Er wurde und ist eine Handreichung für die sächsische soziokulturelle Praxis. Seine fachlichen Standards fanden u.a. Eingang in die Förderleitlinien der Kulturräume. Der Katalog trug dazu bei, die soziokulturelle Arbeit in Sachsen zu professionalisieren und die Qualitätsansprüche einer beteiligungsorientierten Kulturarbeit zu definieren.

Eine offene Debattenkultur, Kritikfähigkeit und Bereitschaft zur Veränderung, das Ringen um Qualität und Professionalität, Unabhängigkeit und Freiheit in der Ausübung und in der Trägerschaft sowie die Leidenschaft zur Gestaltung von Gemeinwesen und Zivilgesellschaft zeichnen soziokulturelle Einrichtungen und Initiativen in Sachsen aus.

Diversität ist unsere Stärke. Kein Zentrum gleicht dem anderen. Die Profile orientieren sich an den lokalen Gegebenheiten und sind Ergebnis einer jahrzehntelangen (Sozio)Kulturarbeit. Die Häuser sind eng in die Stadt(teil)arbeit eingebunden. Sie sind lokale Akteure der Zivilgesellschaft.

Ohne dem Ergebnis der Befassung inhaltlich vorweg greifen zu wollen: Soziokultur in Sachsen und insbesondere die Mitgliedszentren des Landesverbandes sind wesentlicher Teil der reichen Kulturlandschaft des Freistaates Sachsen. Sie sind durch ihr Wesen und Wirken  basiskulturelle Notwendigkeit und dort, wo sie wirken können, Garant für eine resiliente Zivilgesellschaft.

Die aktuellen Entwicklungen, bedingt durch die gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen, schwächen die in den vergangenen Jahren erreichte hohe Akzeptanz und Unterstützung der soziokulturellen Einrichtungen durch die Kommunen (Sitzgemeinden, Landkreise und kreisfreien Städte). Die freie Trägerschaft und der hohe Anteil an Projektförderung destabilisieren den Geschäftsbetrieb und erschweren eine mittel- und langfristige Planung. Auch das ist eine Erkenntnis aus der aktuellen Befragung.

Müssen wir unser Selbstverständnis der freien Trägerschaft neu definieren oder gar in Frage stellen? Gibt es Alternativen zu den etablierten Organisationsformen? Können multifunktionale Kultureinrichtungen in ländlichen Räumen Dritte Orte sein? Können soziokulturelle Einrichtungen diese Funktionen übernehmen? Es ist Zeit für eine proaktive (Neu)Justierung.

Beginnen wir mit der Interpretation der Bestandsaufnahme und gehen wir miteinander intensiv in den fachlichen Austausch: ehrlich, kritisch, reflektiv.

 

Kirstin Zinke
Geschäftsführerin
Landesverband Soziokultur Sachsen e.V.